„Jede Maschine ist ein Unikat”

Die Anthon GmbH aus Flensburg ist Deutschlands nördlichster Hersteller von Holzbearbeitungsmaschinen. Das Portfolio reicht von Einzelmaschinen über Sägeanlagen mit Beschickung, Abstapelung und Handlingskomponenten bis hin zu komplexen und kompletten Produktionslinien. Mit der HK sprachen die Geschäftsführer Klaus und Ove Lange sowie Vertriebsleiter Bernd Jochims über starke und schwache Märkte, über die Herausforderungen der immer größer werdenden Bandbreite an Anforderungen sowie darüber, wie man vermeintliche Standortnachteile in Vorteile verwandelt.

Wie sehen Sie aktuell den Markt für Holzbearbeitungsmaschinen im Allgemeinen und für Anthon im Speziellen?
Ove Lange
In den vergangenen Jahren waren wir bei Anthon mit unserer Umsatzentwicklung sehr zufrieden. Diese lag jeweils deutlich über dem Branchendurchschnitt. Auch für die Zukunft sind wir positiv gestimmt, wobei wir regional differenzieren: Während wir in China inzwischen Marktführer für Plattenaufteilung im Bereich der Plattenherstellung sind und dort noch Wachstumspotenzial in der Möbelindustrie sehen, sind beispielsweise in Europa andere Kompetenzen gefragt. Hier bedienen wir zunehmend Spezialanforderungen hinsichtlich der Integration von neuen Oberflächenveredelungstechniken, von Werkstoffen und innovativen Werkstoffzusammensetzungen.

Hat sich die letzte Ligna für Anthon als Konjunkturmotor erwiesen?
Bernd Jochims
Eigentlich können wir dies aus Sicht unseres Unternehmens so nicht ganz bestätigen. Die Ligna ist für uns eine gute Gelegenheit zur Pflege der bestehenden Kunden und es gab sowohl ein paar interessante neue Kontakte als auch Geschäftsabschlüsse. Der Großteil der geschlossenen Verträge war jedoch im Vorfeld mit einem individuell beim Kunden vor Ort erarbeiteten Anlagenkonzept vorbereitet worden und wäre sicherlich auch ohne die Ligna zu einem Auftrag geworden.

In welchen Märkten ist Anthon derzeit am erfolgreichsten, wo würden Sie sich mehr wünschen?
Klaus Lange
Wie bereits erwähnt,sind wir in Asien und im europäischen Raum sehr aktiv. In den USA würden wir gerne an unsere früheren Erfolge anknüpfen. Dort stehen sehr viele Anthon-Anlagen, aber in den vergangen Jahren war das Marktvolumen in den USA eher gering.

Und in Zukunft? Welche Märkte haben für Sie das größte Potenzial?
Klaus Lange
Wir sehen nach wie vor Potenzial in Asien und Europa. Die Chinesen werden auch weiterhin bereit sein, für eine Anlage aus Deutschland ein bisschen mehr auszugeben, denn sie wissen, dass sie bei uns Qualität bekommen.

Aktuell stehen bei Ihnen gerade einige Plattenaufteilmaschinen zur Abnahme bereit. Eine davon hat mit 12 m eine besonders große Schnittlänge.An wen geht sie und was kann sie?
Klaus Lange
Hierbei handelt es sich um eine Druckbalkensäge für einen langjährigen Kunden in Neuseeland. Mit einer Schnittlänge von 12 m gehört sie in dieser Hinsicht tatsächlich zu den größten Anthon-Druckbalkensägen. In puncto Schnitthöhe geht es aber noch größer als die 320 mm in der besagten Maschine. Unsere Druckbalkensäge des Typs „LNE“ verfügt sogar über eine Schnitthöhe von 345 mm.

Was ist das Besondere an Ihren Druckbalkensägen?
Klaus Lange
Allgemein zeichnen sich unsere Druckbalkensägen durch eine extrem hohe Leistungsfähigkeit, Präzision und Langlebigkeit aus. Und wir freuen uns, dass sich dies bis ans andere Ende der Welt herumgesprochen hat. In Neuseeland sollen mit dieser Anlage LVLPlatten aufgeteilt werden. LVL steht für Laminated Veneer Lumber, also für Furnierschichtholz. Allerdings können auf unseren Sägeanlagen auch die unterschiedlichsten Materialien wie z.B. Dünnplatten, Wabenplatten, Dämmplatten, NE-Metalle und andere Baustoffplatten aller Art verarbeiten werden. Eine weitere Maschine hat eine nur um einen halben Meter kürzere Schnittlänge, ist also ebenfalls nicht gerade klein.

Gibt es bei Ihnen einen Trend zu Groß-Maschinen?
Bernd Jochims
Diese Größenordnung ist nicht unbedingt ein Trend, aber sie kommt bei uns immer mal wieder vor. Es gibt nur sehr wenige Anbieter, die Sägeanlagen in diesen Größenordnungen herstellen. Anthon kann hier auf sehr viel Erfahrung zurückgreifen, sodass wir heute häufiger entsprechende Aufträge erhalten als noch vor zehn Jahren.

Können Sie uns ein paar Eckdaten zu dieser Maschine nennen?
Bernd Jochims
Diese Vielblatt-Durchlaufsäge für Platten mit 11,5 m Länge liefern wir ans Kronospanwerk Falco in Ungarn. Auf der Anlage mit Beschickung und Abstapelung werden später ca. 4 000 m3 Span platten pro, Tag verarbeitet. Dazu werden pro Minute bis zu 13 Platten eingeschleust. Sie werden zunächst in einer 2 x 8-Kopf-Schleifmaschine geschliffen und danach zunächst quer und dann längs aufgeteilt – mit jeweils fünf Sägeaggregaten. Je nach Schnittbild entstehen so bis zu 144 Fertigplatten pro Minute. Wir werden diese Maschine mit einem eigens dafür georderten Spezialkran verladen müssen. 22 Lkw werden dafür allein hier bei Anthon beladen.

Angesichts dieser Dimensionen mutet die kompakte Winkelanlage, die ebenfalls kurz vor der Auslieferung steht, geradezu klein an.
Bernd Jochims
Solche Anlagen gehören genauso zu unserem Produktportfolio wie die XXL-Maschinen. Genau das ist eine unserer Kernkompetenzen: Wir liefern exakt das, was der Kunde benötigt. Jede Maschine ist ein Unikat. Und viele brauchen nun mal kleinere Maschinen. Die kompakte Winkelanlage mit Drehtisch für Platten vom Format 3 750 x 1 650 mm geht an einen reinen Aufteilbetrieb in den USA. Mit der Maschine werden rohe und beschichtete Spanplatten aufgeteilt. Inklusive Beschickung und Abstapelung benötigen wir dafür nur eine Fläche von 12 x 12 m.

Machen Sie Ihr Geschäft eher mit Einzelmaschinen oder wird die Kompetenz im Gesamtanlagenbau wichtiger?
Ove Lange
Eine Besonderheit bei Anthon ist ja, dass wir bezogen auf den Auftragsumfang die gesamte Bandbreite abdecken – von Einzelmaschinen über Sägeanlagen mit Beschickung, Abstapelung und Handlingskomponenten bis hin zu komplexen Produktionslinien. Einzelmaschinen wie z.B. Sägeanlagen oder Schleifmaschinen sind weiterhin eine zentrale Säule unseres Geschäfts, aber steuerungstechnisch vernetzte Gesamtanlagen mit einem hohen Automatisierungsgrad werden bei uns besonders stark nachgefragt, und das mit steigender Tendenz. Diese Art von Anlagen ist genau das, was die europäische Möbelindustrie derzeit benötigt. Und wir können unseren Kunden einen besonders hohen Komfort in der Auftragsabwicklung bieten sowie die Investitionssicherheit, die sie benötigen.

Beschreiben Sie doch einmal das Prozedere eines solchen Gesamtauftrags.
Ove Lange
Von der vertrieblichen Konzeption über Entwicklung und Produktion bis zur Inbetriebnahme und dem späteren Service bieten wir eine Rundum-Betreuung. Die meisten Anlagenbestandteile können wir mit unseren eigenen Produkten abdecken. Oft macht es aber zum Beispiel auch Sinn, bestimmte Prozessschritte mithilfe von Robotern zu erledigen. Diese kaufen wir bei den bekannten Herstellern ein und statten sie mit unseren eigenen Programmen sowie Werkzeugen aus. Hier verfügen wir seit 12 Jahren über umfangreiches Fachwissen und Erfahrung. Unsere Software-Spezialisten sorgen für ein optimales Zusammenspiel aller Komponenten und die 100% ige Vernetzung aller Anlagenbestandteile, sodass Anthon-Anlagen ähnlich hohe Automatisierungsgrade wie die in der Automobilindustrie erreichen.

Welche Rolle spielen denn Großprojekte wie zum Beispiel Anfang dieses Jahres mit der Firma Swedwood Malacky?
Ove Lange
Diese Großprojekte sind für uns ein echter Kompetenzbeweis und ergänzend zum bestehenden Erfahrungsschatz bringen sie uns innovativ jedes Mal enorm voran. Wir liefern alles aus einer Hand. Auch für zugekaufte Fremdmaschinen wie z. B. Kaschieranlagen, Bohrmaschinen oder Lagersysteme übernehmen wir die volle Systemintegration und stehen unseren Kunden als Generalunternehmer und zentraler Ansprechpartner zur Seite

Arbeiten Sie dabei mit strategischen Partnern zusammen?
Ove Lange
Ein Netz an partnerschaftlich verbundenen Unternehmen ist an dieser Stelle natürlich von großer Bedeutung. Mit diesen arbeiten wir seit vielen Jahren Hand in Hand zusammen. Dass wir hier auf dem richtigen Weg sind, zeigt sich in den von Ihnen angesprochenen Produktionslinien wie z.B. Swedwood Malacky oder Swedwood Hultsfred. Im schwedischen Hultsfred entsteht an sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr mit nur zehn Bedienern alle sechs Sekunden ein neuer Schrank. Die Ausschussquote liegt unter einem Prozent und für die Wartung werden maximal drei bis vier Tage pro Jahr benötigt.

Wie schätzen Sie die Bedeutung Ihrer Referenzkunden für das Geschäft ein? Ist beispielsweise lkea für Anthon ein Aushängeschild?
Ove Lange
Referenzkunden sind allgemein enorm von Bedeutung. Während der Vertriebsphase ist es oftmals entscheidend, den Kunden Referenzanlagen zu zeigen. lkea ist natürlich ein großer Name und wir freuen uns sehr über das entgegengebrachte Vertrauen. Letztendlich möchte jeder Kunde aber immer eine Anlage sehen, die seinen Bedürfnissen am ehesten entspricht. Von daher sind alle ausgelieferten Anlagen als Referenz von großer Bedeutung. Man hört heraus, dass Sie für Ihre Kunden vieles möglich machen und auch vor komplexen Sonderlösungen nicht zurückschrecken.

Gibt es dabei einen gewissen Standard, den Sie als Basis nutzen?
Bernd Jochims
Einen Katalog mit Standardmaschinen, wie ihn andere Hersteller haben, gibt es bei Anthon nicht. Man kann es ungefähr wie folgt beschreiben: Im Bereich der Sägeanlagen haben wir Standardabmessungen für Längen und Breiten sowie Standardschnitthöhen. Die Schnitthöhen sind ausschlaggebend für die verschiedenen Baureihen. Im Bereich der Beschickung, der Abstapelung und des Plattenhandlings können wir ebenfalls auf standardisierte Lösungen zurückgreifen, sodass wir durchaus komplette Anlagen aus unserem Standard zusammenstellen können. Bei den meisten Projekten, gelten aber andere Voraussetzungen: Oftmals müssen wir unser Konzept alleine schon aufgrund der räumlichen Gegebenheiten des Kunden anpassen. Da ist dann Flexibilität gefragt, aber gerade das zeichnet uns ja aus.

Wo sehen Sie diesbezüglich Ihre Kernkompetenzen?
Bernd Jochims
Wie Sie selbst schon bemerkt haben, sind wir definitiv kein Serienhersteller. Jede Anlage, beginnend bei der Einachssäge, wird als individueller Kundenauftrag produziert, jede Maschine ist ein Unikat. Es gibt keine Serienproduktion und keine Lagermaschinen. Insbesondere wenn bauseitige Bedingungen zu berücksichtigen sind, kommen wir ins Spiel. Die Vorgaben und Wünsche des Kunden zu verstehen und zu berücksichtigen, konstruktiv zu prüfen und in einem Anlagenlayout umzusetzen, ist eine sehr große Stärke von Anthon. Verkauf, Konstruktion sowie der Bereich Software und Elektronik arbeiten bei jedem Projekt bereits von der ersten Anfrage an sehr eng zusammen. So stellen wir sicher, dass der Kunde genau die Anlage erhält, die er benötigt.

Die meisten Hersteller von Holzbearbeitungsmaschinen befinden sich im Süden der Republik. Sehen Sie sich hier im hohen Norden ebenfalls gut aufgestellt?
Ove Lange
Im Vergleich zum süddeutschen Raum stehen uns hier im industriell nicht so dicht besiedelten Schleswig-Holstein natürlich weniger Zulieferbetriebe zur Verfügung. Aber wir konnten diese Schwäche in eine Stärke verwandeln und verfügen über eine sehr hohe Fertigungstiefe. So haben wir unsere Qualität und Termine immer selbst in der Hand, können Ersatzteile kurzfristig herstellen und Konstruktion und Fertigung optimal aufeinander abstimmen. Aus privater Sicht ist unser Standort natürlich nicht zu übertreffen Die vergleichsweise geringen Lebenshaltungskosten in Kombination mit einer Vielzahl von Vorteilen, die Erholungs- und Küstengebiete aufweisen, machen die Flensburger Förde auf jeden Fall attraktiv.

Ist der Fachkräftemangel in dieser industriell eher schwach strukturierten Region ein Thema für Sie?
Klaus Lange
Das ist ein Thema, über das auch wir uns natürlich Gedanken machen. Mit einer Ausbildungsquote von zehn bis 15 Prozent sorgen wir von Haus aus kräftig vor. Diese Vorgehensweise hat sich bisher immer als richtig erwiesen. Darüber hinaus haben wir auch das Glück, dass der Großteil der Mitarbeiter über viele Jahre dem Unternehmen treu bleibt und so kommt es bei uns regelmäßig vor, dass 25- oder 40-jährige Jubiläen gefeiert werden.

Im Zusammenhang mit vernetzten Komplettanlagen sind besonders IT-Spezialisten gefragt. Wie rekrutieren Sie in diesem speziellen Sektor Ihre Mitarbeiter?
Ove Lange
Hier in Schleswig-Holstein gibt es einige Fachhochschulen, mit denen wir zum Teil recht gut in Kontakt stehen, sodass wir auf diese Art und Weise den passenden Nachwuchs finden. In Verbindung mit unseren erfahrenen Mitarbeitern ergibt dies eine ideale Kombination.

Sie erwähnten bereits Ihre hohe Fertigungstiefe. Ist für Sie ein Outsourcing bestimmter Produktionsteile in Niedriglohnländer eine Option oder setzen Sie als Familienunternehmen weiter auf „Made in Germany“?
Klaus Lange
Unsere Kunden können sich weiterhin auf „ Made in Germany“ verlassen. Alles andere wäre auch kaum mit der Unternehmensstrategie vereinbar. Anthon-Anlagen werden mit einem hohen Grad an individuellem Konstruktionsaufwand unter Berücksichtigung höchster Qualitätsansprüche hergestellt.Dafür haben wir hier in Deutschland die besten Voraussetzungen.

Zum Schluss noch ein Blick nach vorne. In zwei Jahren wird Anthon 150 Jahre alt. Welchen Stellenwert hat dieses Jubiläum für Sie?
Ove Lange
Wir alle freuen uns schon sehr darauf, die 150-Jahre-Marke zu „knacken“. Das anstehende Jubiläum unterstreicht die Werte, für die wir stehen. Als Familienunternehmen sind Kontinuität und Zuverlässigkeit für uns wichtiger als kurzfristige Gewinnmaximierung. Davon profitieren auch unsere Kunden, die sich bei der Investitionsentscheidung für eine Anthon-Anlage auch auf die spätere Ersatzteilversorgung verlassen können.

Wissen Sie schon, ob und wie Sie feiern werden?
Ove Lange
Gefeiert wird auf jeden Fall! Die Planung hat bereits begonnen. Wir stellen gerade ein kleines Team aus Geschäftsleitung und Mitarbeitern verschiedener Abteilungen zusammen, das die Planung und Organisation für die Feier auf dem Betriebsgelände übernimmt. Und sicherlich wird auf der Ligna 2015 das Jubiläum ein zentrales Thema sein. Sie sind herzlich eingeladen, uns zu besuchen und mit uns anzustoßen.