Materialvielfalt optimiert zuschneiden
Komplexität gefragt: Der westfälische Möbelhersteller Germania hatte hohe Ansprüche an seine neue Plattenaufteillösung in der Produktion. Und wenig Platz. Mit Anthon fand das Unternehmen den passenden Projektpartner, der alle gewünschten Parameter von der Materialvielfalt bis hin zur individuell angepassten Schnittoptimierung umsetzen konnte.
Ein Kompetenz-Mix aus schwerem Maschinenbau und moderner Software – dafür steht die Anthon GmbH. Diese Fähigkeiten öffnet dem Unternehmen immer wieder neue, verwandte Märkte und Entwicklungsmöglichkeiten, zudem ist der Anlagenbauer fähig, die Wünsche seiner Kunden ganz individuell und auf höchstem technischem Niveau zu erfüllen. Genau wie Anthon ein Tradi – tionsunternehmen ist der ostwestfälische Hersteller Germania, der seit nun mehr als 50 Jahren Möbel produziert. Die Schlangener produzieren mit 190 Mitarbeitern Wohnwände, Garderoben, Büro- und Badprogramme von konsumig bis hochwertig. Zu den Abnehmern zählen stationäre Handelshäuser, Onlinehändler aus dem In- und Ausland sowie Universalversender, die Germania-Produkte mit dem Label „Qualität – Produkt und Service aus Deutschland“ vertreiben. Um der Vielfalt an Produkten und vor allem den Mengen gerecht zu werden, stand bei Germania eine Investition in die Produktion an. Für die komplette Produktpalette von Wohnwand bis Kleinmöbel galt es, eine hoch individuelle Plattenaufteilanlage zur Herstellung von Korpussen, Fronten, Sockeln, Tops und Rückwänden zu projektieren. Aus Rohplattenformaten von 5.600 x 2.070 Millimetern sollten dabei unter anderem Teile in den Abmessungen 63 x 400 Millimeter entstehen. Neben melaminbeschichteten Holzwerkstoffplatten und Rohspanplatten gab es den Wunsch, auch MDF-Platten aufzuteilen. Die Stärken der Materialien variieren zwischen 2,5 bis 28 Millimetern. Beschichtungsmaterialien sind Papier, Folie und Melamin. Die Beschichtungsmaterialien können glatt – mit oder ohne Schutzfolie – oder auch strukturiert mit Vertiefungen oder Erhebungen sein. Zusätzlich war die Anforderung, ein automatisches Plattenlager mit ein – zubinden sowie eine neue Schnittoptimierungssoftware in den Fertigungsablauf zu integrieren. Die größte Herausforderung bestand aber letztlich darin, all dies unter Berücksichtigung der extrem ein – geschränkten Platzverhältnisse zu lösen. Die Wahl fiel auf Anthon – und selbst die Flensburger erkannten schnell die Komplexität. Hier war mit Standard nicht viel zu er reichen, das war Vertriebsleiter Bernd Jochims von Anthon sehr schnell klar. Gemeinsam mit dem Kunden und Dr. Torsten Peisker von DPI Engineering, der dem Kunden beratend zur Seite stand, ist nach mehrmaligen Treffen und gemeinsamen Besichtigungen von Anthon-Referenzanlagen eine passende Lösung für Germania entstanden. „Die sehr gute Umsetzung unserer Ideen und Vorstellungen in ein Anlagenlayout war ausschlaggebend für die Auftragsvergabe an die Firma Anthon“, erklärt Christian Pauly, Projektleiter bei Germania. „Von Anfang an fühlten wir uns wohl, und es wurde stets versucht, unsere eigenen Ideen auch konstruktiv umzusetzen. Gemeinsam ist dann ein Anlagenkonzept entstanden, mit dem wir technisch und kaufmännisch für die nächsten Jahre sehr gut aufgestellt sind“, so Pauly weiter. „Die Auf – gabenstellung konstruktiv den baulichen Gegebenheiten anzupassen und das erarbeitete Pflichtenheft dabei 100-prozentig zu berücksichtigen, ist eine kleine Meisterleistung gewesen. Eine Standardanlage hätte uns hier nicht viel genützt“, fasst der Projektleiter aus Schlangen zusammen. Die Anlage weist mehrere Besonderheiten auf: doppelstöckige Rollenbahnen für eine parallele Stapelzu- und Abfuhr; die Sägen – beschickung sowohl vom Stapel mittels Abschieber als auch mit Paketen durch das Kranlager; eine kundenspezifische Ausführung in Bezug auf Funktion, Ablauf und Produktvarianz; die sehr kompakte, platzsparende Bauweise mit optimaler Position der 0-Kanten für hohe Sägenkapazität; Kopfschnitte sind mittels Drehtisch möglich, Drittschnitte in der Quersäge für Sonderformate; das Aufteilen von Platten mit Sonderkanten mittels vertikaler Kantenritzsäge; die automatische Ausschleusung von Restformaten nach dem Längs- oder Querschnitt zurück ins Plattenlager; eine neu entwickelte Absaugung für die nahezu staubfreie Plattenaufteilung; eine neue Siemens-„Simatic S7-1516“-Steuerung, zudem ist die Aufteilanlage für die Verarbeitung extrem empfindlicher Plattenoberflächen ausgelegt. Die aufzuteilenden Rohplatten kommen von einem Blocklager oder von einem automatischen Plattenlager zur Beschickung der Säge. Die durch die Beschickung gebildeten Pakete werden über einen Drehtisch, der die Pakete in Kopfschnitt- oder in Längsschnittstellung positioniert, zur Längssäge transportiert. Nach dem Aufteilen auf der Längssäge werden die Pakete in der Regel über eine Winkelübergabe zur Quersäge transportiert. Große Restteile können über einen anhebbaren Riemensatz ausgeschleust und zurück in das automatische Flächenlager transportiert werden. Nach der Quersäge warten vier Plätze in einer Handabstapelung auf die geschnittenen Teile, jeweils zwei der Plätze lassen sich dabei zusammenschalten. Es ist jedoch auch möglich, die durch die Quersäge produzierten Teile für Drittschnitte zurück vor die Quersäge zu transportieren. Dabei wird der Bediener durch das Auslaufband und den Rückschiebebalken unterstützt.
Zur Aufteilung von Platten aus dem Restelager steht die Quersäge wie eine Einachssäge zur Verfügung. Dabei können, wie bei den durch die Längssäge verarbeiteten Platten, Längsschnitte, Kopfschnitte, Querschnitte und Drittschnitte vorgenommen werden. Zusätzlich zur Abstapelung auf den vier Handabstapelplätzen können die produzierten Teile nach dem Sammeln auf den Pufferrollenbahnen ebenfalls den Weg in ein Restelager antreten. Die auf den Abstapelplätzen erzeugten Stapel stehen zum Abtransport durch einen Verfahrwagen in das nachfolgende Teilelager bereit. Die Steuerung der Anlage erfolgt mittels Siemens-„Simatic S7- 1516“. Die Programmierung erfolgt mit „Step 7 V13“ unter dem Tia- Portal. Mit dieser Steuerung sind alle Ein- und Ausgänge der Anlage wie Sensoren, Ventile und Antriebe verbunden. Die Vernetzung innerhalb der Anlage wird durch „Profinet“ realisiert. Die Vorteile der „S7- 1500 CPU“ liegen in der Performance, dem Speicherumfang und Datensicherheitsfunktionen. Die Benutzerschnittstelle ist durch ein Siemens-„Comfortpanel“ realisiert. Damit kann der Bediener alle Parameter der Anlage beeinflussen und kontrollieren, sowie jeden einzelnen Antrieb von Hand bewegen. Hier erfolgen auch Meldungen und Fehleranzeigen. Die Steuerung lässt sich über einen Zugriff auf das Germania-Netzwerk aus der Ferne warten. Somit hat die Anthon-Hotline einen umfassenden Zugriff auf die Steuerung und kann schnell Fehlerursachen analysieren und gegebenenfalls beheben. Das garantiert minimale Ausfallzeiten für den Kunden. Durch das modulare System ergeben sich für die Zukunft vielfältige Erweiterungs- und Optimierungs-Möglichkeiten. Ein wichtiger Baustein ist auch der Leitrechner, er hat die Aufgabe, die Verbindungen zu den übergeordneten Systemen wie das Fertigungsleitsystem und das Lager herzustellen sowie die Versorgung der Anlage mit den notwendigen Parametern und Bearbeitungsschritten zu versorgen. Die Software des Leitrechners wurde vollständig im Hause Anthon entwickelt und steht auf den Betriebssystemplattformen Linux und Windows zur Verfügung. An der Anlage ankommende Stapel werden mit Datensätzen bis auf jede einzelne Platte aufgelöst, vom Fertigungsleitsystem bis an den Anthon-Linienrechner geliefert. Jede Platte kann eine eigene Auf – teilung erhalten. Nach der Fertigung der Teile erfolgt die Rück – meldung an das Fertigungsleitsystem zur Buchung und dem Druck von Stapelzetteln. Die Schnittstellen zum Fertigungsleitsystem und zum Lager sind als Datenbankschnittstellen ausgeführt. Auch die Hürde „Schnittoptimierung“ überwand Anthon sehr elegant bei dem Germania-Projekt. Hierzu hat der Maschinenbauer auf den langjährigen Partner PSL mit dem Optimierungsprogramm „Secant“ zurückgegriffen. Der Fokus wurde dabei nicht nur auf eine optimale Materialausnutzung gelegt, sondern auch auf die Zusammenarbeit zwischen Fertigungsleitsystem, Flächenlager und Säge. Standardaufgaben wie die Berechnung von Schnittplänen, Schnitt – zeiten und Abfall sowie die grafische Ausgabe von Schnittplänen wurden überarbeitet und Neuheiten wie die zeitgebundene Wiederverwendung von produzierten Resten oder das Auffüllen der Fertigungsaufträge mit Überhangteilen in die Schnittoptimierung implementiert. Die Schnittoptimierung erledigt sowohl die Vorkommissionierung der Platten vom Flächenlager als auch – im vorgegebenen Rahmen – die Berechnung der Stapelkonstellation für den Bediener bei der Abstapelung. Dank „Silent Modus“ läuft die Schnittoptimierung automatisch und praktisch bedienungslos im Hintergrund, stellt letztlich dem Bediener die Ergebnisse zur Auswahl zur Verfügung. „Gemeinsam ist es gelungen, eine für uns ideal konfigurierte Plattenaufteilanlage zu planen“, berichtet Pauly während einer Teil – abnahme in Flensburg. Ende des Jahres erfolgt in Flensburg bei Anthon die komplette Inbetriebnahme der Anlage, bereits im kommenden März soll bei Germania damit die Produktion anlaufen. „Wir hoffen, dass die Anlage für viele Jahre am Anfang der Bearbeitungskette im Produktions ablauf bei Germania wertvolle Dienste leistet. Auch in Zukunft wird die Firma Anthon ein offenes Ohr für die Wünsche ihrer Kunden haben, um auch im kommenden Jubiläumsjahr des 150-jährigen Firmenbestehens weitere Anlagen weltweit liefern zu dürfen“, resümiert Jochims.