
Automatisierung an der richtigen Stelle
ANTHON: Liefert Roboter-Abstapelung an Holz- Tusche
Der Anlagenspezialist Anthon hat bei Holz- Tusche in Marsberg eine vollautomatische Roboter-Abstapelung hinter einer bereits vorhandenen Einachssäge installiert. Ein spannendes Projekt mit interessanter Aufgabenstellung, da Holzhändler wie Holz- Tusche bislang nicht zum Kundenstamm der Flensburger gehörten. Die Anlage wurde im Februar in Betrieb genommen. Mit ihr konnten Zuschnittleistung und Produktion um ein Drittel gesteigert werden.
Von Julia Gottschick aus HK325
Das Unternehmen Holz- Tusche wurde 1934 gegründet, es ist mit 200 Mitarbeitern im Holzhandel tätig. Schwerpunkt im Sortiment ist der gesamte Holzwerkstoff- und Plattenbereich. Beliefert werden Tischlereien, Schreinereien, Innenaus- und Ladenbau-Betriebe. Mit angegliedert sind Dienstleistungen wie Zuschnitt, Bekantung und die Fertigung von Verbundelementen.
Dass Holz- Tusche ein gewachsener Familienbetrieb ist, erkennen Besucher nicht nur an der Architektur des Haupthauses, wo über die Jahre immer wieder angebaut wurde. Als Assistentin der Geschäftsführung ist überdies Familienhündin Lotte angestellt, die jedem Neuankömmling freundlich entgegenspringt. Die schwarz-gelockte Doodle-Dame hat sogar ein eigenes Foto auf der Homepage. „Wir sind in vierter Generation Experten für hochwertige Holzwerkstoffe und innovative Serviceleistungen“, sagt Geschäftsführer Ralph Tusche, der 1991 ins Unternehmen eingestiegen ist – in dritter Generation.
Ihm sind 2021 sein Sohn Tim und inzwischen auch Tochter Nora gefolgt, die beide nach einem dualen Studium der Holzwirtschaft in Mosbach Aufgaben im Betrieb übernehmen. Während Ralph Tusche Einkauf, Verkauf und Buchhaltung leitet, ist Tim für den gewerblichen Bereich inklusive Logistik und Zuschnitt zuständig. Nora betreut Projekte, da sie zunächst noch ihren Master machen will.
„Täglich beliefern wir mit 36 eigenen Lkws unsere Kunden mit unterschiedlichen Mengen an hochwertigsten Hölzern“, führt Ralph Tusche aus. „Von der Einzelplatte bis zur vollen LKW-Ladung ist alles dabei.“ Der Einzugsbereich beträgt rund um den Hauptsitz in Marsberg 200 Kilometer. Weitere Standorte sind Ochtrup mit 150 Kilometern, seit Anfang 2025 Fulda mit 100 Kilometern im Radius – plus Arnsberg, wo Holz- Tusche eine eigene Verbundelemente-Fertigung betreibt. Schichtstoff- und Objektlieferungen sind bundesweit möglich. Der Betrieb expandiert stark. „Selbst, wenn die Konjunkturlage auch an uns nicht vorbeigeht“, wie der Geschäftsführer einräumt. Was zur Stabilität beiträgt, sind zahlreiche Nischenprodukte und -anwendungen. „Wir haben ein großes Sortiment im Plattenbereich und decken Sonderstärken, Sonderabmessungen und Sonderprodukte ab.“
Ob Hotelbau, Health Care oder Renovierungen: Gemeinsam mit den Kunden geht Holz- Tusche „intensiv in die Objekte rein“ und ist daher nicht so stark vom Neubau abhängig. „Von unseren drei Abteilungen ist der umsatzstärkste klar der Bereich Holzwerkstoffe und Massivholz, danach kommen Holzbau, Türen und Böden“, so Tusche. Holzwerkstoffe und Platten machen etwa 60 Prozent des Umsatzes aus, der Rest verteilt sich auf die anderen Segmente. Hochspezialisiert in Sachen Sortimentplatten, importieren die Sauerländer selbst viele Hölzer. „Deshalb sind wir nah an den Herstellern dran, setzen auf persönliche Besuche“, wie der Firmen-Chef resümiert. „Das macht heute längst nicht mehr jeder.“
Vom kleinen Handwerksbetrieb bis zur Industrie: Holz- Tusche bietet jeglichen Zuschnitt an. „Alles, was der Kunde sich vorstellt“, betont auch Ulrich Palsmeier, Tischlermeister vom betriebseigenen Zuschnittzentrum. Der Zuschnitt wird über zwei Anlagen umgesetzt: eine kleinere Säge mit händischer Abstapelung, über die geringere Mengen sowie ein buntes Sortiment an Material laufen. „Darüber hinaus haben wir eine größere Einachssäge mit Paketschnitt“, so Palsmeier.
Für eben diese wurde eine Roboter-Abstapelung gesucht, die Masse schafft. Denn die Grundfrage lautete: Wie kann die Zuschnittleistung erheblich erhöht und gleichzeitig dem Fachkräftemangel entgegengewirkt werden? Ziel war auch, die schwere körperliche Arbeit durch Automatisierung abzulösen. Unabhängig beraten wurde Holz- Tusche hier von Dr. Torsten Peisker von DPI, einem Ingenieurbüro, das sich auf Planung und Durchführung technischer Investitionsvorhaben in der Industrie spezialisiert hat. „Wir haben verschiedene Optionen durchgespielt – unter anderem mit neuer Winkelsäge“, erinnert sich Palsmeier. Schnell sei klar geworden, dass die Säge ausreicht. Allerdings ging mit der manuellen Abstapelung Zeit verloren.
Die Lösung wurde schließlich gemeinsam mit der Flensburger Firma Anthon erarbeitet. Eine vollautomatische Roboter-Abstapelung sollte so hinter der Säge platziert werden, dass Zuschnittleistung und Produktion um ein Drittel gesteigert werden. Eine Erfolgsbilanz, die sich inzwischen bestätigt hat. Um das Prozedere zu definieren, standen während der Projektierungsphase etliche Online-Meetings an. Zunächst wurde die Anlage bei Anthon aufgebaut und von Holz- Tusche abgenommen, bevor im November 2024 der Startschuss für den Umzug nach Marsberg fiel. Dort hatte Jurian Wulff, bei Anton für mechanische und elektrische Installationen zuständig, die Baustellenleitung inne. Danach gingen die Programmierer ans Werk.
Ralph Tusche erinnert sich gerne zurück: „Für uns war das ein spannender Moment, als der Prototyp, den wir vorher nur von der Konzeption her kannten, bei Anthon stand und wir ihn nach einem Jahr Vorlauf im Original begutachten konnten.“ Die Gesamtinvestition inklusive baulicher Gegebenheiten beziffert Tusche auf rund eine Million Euro. „Für die Leistung, die man jetzt hat, ein guter Preis“, bestätigt Zuschnitt-Experte Ulrich Palsmeier.
Alles in allem fühlte sich Holz- Tusche sowohl vom externen Berater als auch von Anthon sehr gut begleitet. „Der persönliche Kontakt war jedes Mal hervorragend. Das Projekt ist gemeinsam gewachsen“, lobt der Geschäftsführer. Und das nicht von ungefähr: Wurde die Roboter-Abstapelung Holz- Tusche doch quasi auf den Leib geschneidert, wie Anthon-Vertriebsleiter Bernd Jochims unterstreicht. „Anthon ist zu 100 Prozent im Sondermaschinenbau tätig. Wir haben keine Kataloganlagen“, hebt er hervor. „Jede Anlage, die wir verkaufen, bekommt sowohl eine eigene Konstruktion als auch einen eigenen Schaltschrankbau. Das sind für Kunden gemachte Lösungen.“ Für gewöhnlich ist bei Anlagen von Anthon die eigene Säge das Herzstück, zu der eine Beschickung davor und die Abstapelung dahinter geliefert werden. „Hier allerdings war die Besonderheit, dass die Säge schon da war und der Kunde nur eine Abstapelung gesucht hat.“ Herausfordernd war das vor allem deswegen, weil die Säge von einem Fremdhersteller stammt.
Jan Cristoph Prill, Leiter Steuerungstechnik bei Anthon: „Durch Anbindung an die Fremdsäge gab es mehrere Schnittstellen, die bedient werden mussten. Sprich, wir haben die Schnittplan-Daten von der Fremdsäge übernommen, sie in unser System übertragen und dort interpretiert.“ Diese Interpretation sei etwas, das man peu à peu entwickeln müsse. Ein Lernprozess, den er selbst in den vergangenen Wochen in Marsberg betreut hat. „Wir haben getestet, Probleme festgestellt, alle behoben und konnten jetzt in die eigentliche Produktion einsteigen.“
Rund 20 Roboter-Abstapelungen dieser Art hat Anthon bereits im Markt platziert, etliche an große Ikea-Zulieferer nach Litauen geliefert und hinter eigenen Hochleistungssägen installiert. Mit Homag existiert zudem eine Kooperation dort, wo deren Sägen eine – meist kleinere – Schnitthöhe anbieten, die Anthon nicht bedient. „In solchen Fällen wird unsere Abstapelung hinter Homag-Sägen eingesetzt“, berichtet Bernd Jochims.
Ein Kunde wie Holz- Tusche allerdings war komplettes Neuland: Laufen beim Sauerländer Unternehmen doch täglich bis zu 30 Aufträge ein. Das Sortiment umfasst Plattenmaterial wie MDF, Rohspan, beschichtete Platten, HPL, OSB, 3-Schicht-Platten, Sperrholz und Multiplex. Bei den Oberflächen sind Schichtstoffe, stark strukturierte und gebürstete Oberflächen sowie Hochglanzoberflächen möglich. Entsprechend differenziert muss auch die Abstapelung funktionieren.
„Wir sind tatsächlich erstmals in den Bereich Holzhandel, -import und -zuschnitt reingegangen“, räumt der Anthon-Vertriebsleiter ein. Im Unterschied zu bisherigen Linien komplett aus dem Hause Anthon ist bei Holz- Tusche die manuelle Übergabe an die Abstapelung zu leisten. „Das heißt, die Teile werden über die Luftkissentische von der Eichachssäge zur Abstapelung gebracht. Wir lesen die Schnittbilder ein, geben dem Maschinenführer also über eine eigens geschriebene Software die Möglichkeit, im Detail mitzuteilen, um welche Teile es sich handelt.“ Ab dem Moment, da die Platten in der Abstapelung ankommen, ist der Prozess automatisiert. Kaum läuft ein Paket auf dem Sägetisch auf, findet der Signalaustausch zwischen Säge und Lufttisch statt.
Letzterer befindet sich am Einlauf der Abstapelung und ist in zwei Einheiten geteilt, wobei die erste manuell auf Schienen und die zweite teilweise klappbar funktioniert. Nächster Schritt sind zwei Rollenbahnen, die aus einer Stahlkonstruktion mit angetriebenen Rollen bestehen und für Teile mit empfindlicher Oberfläche ausgelegt sind. Die Pakete werden dort aufgenommen und weiter zur Verteiler-Rollenbahn befördert. Diese besteht aus in Reihe angeordneten Röllchen, die den Transport des Plattenpakets sowohl in Längs- als auch in Querrichtung ermöglichen.
Mit Hilfe so genannter Ausricht-Rechen wird das Paket gegen einen Anschlag justiert und auf die gewollte Position gebracht. Anschließend fahren die Ausrichter wieder in die Ausgangsposition, sodass der Fünf-Achsen-Roboter das ausgerichtete Paket aufnehmen kann. Die eigentliche Abstapelung übernimmt er mit seinem Rechen-Werkzeug: Je nach Größe der Teile macht Letzteres die Abstapelung mehrerer Pakete auf einmal möglich – und zwar durch Verwendung eines im Werkzeug integrierten Abstreif-Lineals. In Festposition gestoppt werden die Teile durch ein Anschlag-Lineal. Der Greifarm fährt unter das Paket und richtet es gegen ein pneumatisch gelagertes Lineal aus.
Ist das Paket erstmal in Position, fährt es der Roboter über den zuvor gewählten Abstapelplatz und legt es auf der Rollenbahn ab. Damit er jeden einzelnen Platz erreicht, wird er so auf der Fahrbahn montiert, dass er quer fahren kann. Dadurch wird der Raum optimal genutzt und eine flexible Abstapelung für sechs Abstapelplätze realisiert. „Das bedeutet also, der Roboter nimmt die Teile auf, stapelt sie ab, führt sie automatisch aus der Anlage aus, wo sie dann vom Gabelstapler abgenommen werden“, resümiert Jan Christoph Prill. Maximal-Traglast des Roboters: 800 kg.
Alle Abstapelplätze lassen sich individuell bedienen, sodass bis zu sechs unterschiedliche Teile aus einem Schnittbild verarbeitet werden. Vier Plätze sind für kleinere Werkstücke gedacht, dann gibt es nochmal zwei Plätze, die auch für größere Werkstücke geeignet sind. Unterm Strich können auf diese Weise Kleinst-Teile von 250 mal 70 mm bis hin zu Plattenpaketen von 2,90 bis 1,30 m gehandelt werden. Eine große Bandbreite und Material-Vielfalt, die Holz- Tusche mit Hilfe der neuen Anlage abstapeln kann.
Für die Mitarbeiter bedeutet die Automatisierung vor allem eine enorme körperliche Entlastung, wie Ulrich Palsmeier unterstreicht. „Die haben vorher pro Mann 4,3 Tonnen abgestapelt: durchschnittlich 1,5 m³ Zuschnitt pro Stunde.“ Waren zuvor vier Personen pro Schicht nötig, sind jetzt nur noch der Maschinenführer und ein Mitarbeiter involviert, der das Entnehmen aus der Anlage übernimmt. „Von vier auf zwei quasi.“ Bei Betrieben, die dreischichtig arbeiten, wären das sechs und bei zwei Sägen sogar zwölf Mitarbeiter, die am Tag anderswo eingesetzt werden können.
Dieses Einsparpotenzial sieht Anthon-Vertriebsleiter Bernd Jochims auch bei anderen Betrieben dieser Größenordnung. „Weil es a) schwieriger wird, Leute zu finden, die eine solche körperliche Arbeit machen wollen, und b) die Lohnkosten nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern steigen, wo es noch viele dieser Einachssägen gibt, die manuell abgestapelt werden“, wie er sagt. In seinen Augen ist die Roboter-Abstapelung eine sinnvolle Investition für die Zukunft. „Wenn Holz- Tusche weiterwächst und in fünf bis acht Jahren eine Winkelanlage mit zwei Sägen anschafft, kann die Abstapelung auch dahinter wieder eingebunden werden.“
Für Ralph Tusche war das schonende Material-Handling ein wichtiges Kauf-Kriterium. Die Anlage beherrsche es perfekt, dass keinerlei Beschädigungen an den fertigen Zuschnitten entstehen und man Stapel beim Kunden anliefern kann, die immer gleich gebildet und schonend pakettiert sind. Zuvor waren Konstanz und Qualität der Abstapelung an die jeweiligen Mitarbeiter gebunden, die an der Säge nun eingespart werden. „Entlassungen hat es aber nicht gegeben“, das ist dem Firmenchef wichtig zu betonen. „Alle Kollegen werden anderswo eingebunden und gefordert.“ Auch Baustellenleiter Jurian Wulff hat viele Gespräche mit den Fachkräften geführt und gibt ein positives Feedback. „Unser Kunde freut sich über die Anschaffung und ist von seiner neuen Anlage begeistert. Das ist Automatisierung an der richtigen Stelle.“
Dem kann Tim Tusche nur zustimmen: „Wir gewinnen extrem an Flexibilität, setzen Mitarbeiter, die vorher im Zuschnitt waren, in anderen Bereichen ein. Und wenn die mal als Urlaubsvertretung gebraucht werden, können sie zurückwechseln und die Maschine bedienen, da sie ja trotzdem ihr Know-how behalten.“ Auch in Sachen Verpackung sieht er große Vorteile. Ließen sich über die automatisierte Lösung doch verschiedenste Kundenwünsche umsetzen – von spartanisch bis zu transportgeschützten Kisten-Verpackungen.
Für Ulrich Palsmeier waren vor allem Masse und Geschwindigkeit beim Abstapeln entscheidend. „Anthon hat uns versichert, dass selbst, wenn unsere Säge auf dem Maximum läuft, immer noch Reserven in Sachen Geschwindigkeit da sind“, berichtet er. Automatisierung sei heute die Grundlage für Konkurrenzfähigkeit. Stillstand sei Rückschritt. „Alle Kriterien, die wir in der Planungsphase hatten, sind umgesetzt worden. Und wenn man jetzt sieht, wie der Roboter das Laufen lernt‘ und Geschwindigkeit aufnimmt, dann führt das zu echten Aha-Erlebnissen.“